Abteilung I, Briefe

Dokumenttyp: Brief

Chronologie: Briefe von 1914 bis 1922

Absender/in: Jacoba van Heemskerck an Herwarth Walden

Quelle: Staatsbibliothek zu Berlin, Handschriftenabteilung, Sturm-Archiv I, Heemskerck van Beest, Jacoba van, Bl.21-22


[21r]
Sehr geehrter Herr Walden

Viel Dank für die Zeitungen bitte wenn es interessante Nachrichten gibt Schicken Sie dann mehrere. Hoffentlich haben Sie die holländische auch regelmäszig empfangen gestern habe ich wieder einige geschickt. Bitte wenn Sie wieder schreiben sagen Sie dann ob Herr Taut und Herr Dr Behne
[21r]
aufrücken müssen. Ich sah dasz der Landsturm auch schon auf ist. Schrecklich dasz in Leuven so viel verdorben ist.1 Krieg ist doch das schrecklichste dasz man sich denken kann, und wann wird es Frieden sein, im Anfang dachte ich mir es kann nicht lange dauern aber jetzt fürchte ich dasz wir noch nicht so bald am Ende sind. Hier in Domburg ist es schön und ruhig sehr viel Belgier kommen jetzt hin und werden hier den ganzen Winter bleiben.2
[22r]
Ich habe ein neues Gemälde angefangen und viele skizzen gemacht aber wann wird es wieder Ausstellungen geben. Wie lange dauert es schon so in Gedanken, und es ist nur fünf Wochen, vor zwei Monaten waren Sie beiden hier es waren solche schöne Tagen, unglaublich um acht Wochen her es scheint schon so viel länger. Da wir offene Briefe schicken müszen kann ich nicht so alles schreiben über Kunst später viel mehr darüber ich lese viel und werde Ihnen davon wieder ausführlich
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alle meine Gedanken über uns Streben schreiben.

Wie geht es Marck, ist er noch zu hause? Bitte bald wieder Nachricht ich schreibe auch bald wieder es ist gut diese Zeiten viel von einander zu hören

Viele herzlichsten Grussen für Sie beiden auch von Frl Tak und meine Schwester Ihre Jacoba vanHeemskerck

  1. Die belgische Universitätsstadt Löwen wurde vom 25. bis 27. August 1914 von deutschen Truppen überfallen, wobei 248 Zivilisten getötet und ein Sechstel der Gebäude zerstört wurden. Die Universitätsbibliothek brannte samt wertvoller mittelalterlicher Handschriften nieder. Vgl. Deperchin, Annie: The Laws of War. In: The Cambridge History of The First World War. Bd. 1 Global War. Hrsg. v. Jay Winter [u.a.], S. 615–638, hier S. 615; Kramer, Alan: Löwen. In: Enzyklopädie Erster Weltkrieg. Hrsg. v. Gerhard Hirschfeld [u.a.]. Paderborn [u.a.] 2004, S. 682–683, hier S. 682. »
  2. Zahlreiche Belgier flohen seit der deutschen Invasion im August 1914 vor allem nach Großbritannien, Frankreich und in die Niederlande. Der Vormarsch der deutschen Truppen in Belgien war mit brutalen Übergriffen auf die Zivilbevölkerung verbunden, mit Geiselnahmen (auch Geiselerschießungen) und Deportationen belgischer Bürger zur Zwangsarbeit nach Deutschland. Die kämpferischen Auseinandersetzungen um Antwerpen im Oktober 1914 verursachten die Flucht von knapp 1. Mio. Belgiern in die niederländische Provinz Holland (zu der auch Domburg/Zeeland gehört). Insgesamt erreichte die Zahl der belgischen Flüchtlinge im Sommer und Herbst 1914 etwa 1,5 Mio. Viele von ihnen kehrten zu Beginn des neuen Jahres wieder zurück, da die Deutschen Besatzer in Gent ein Dekret erließen, das die Konfiszierung des Eigentums der Geflüchteten erlaubte, wenn diese nicht bis zum 1. März 1915 zurückkehrten. Auch die niederländische Regierung setzte die Flüchtlinge unter Druck, in ihr Heimatland zurückzukehren, so dass deren Zahl dort im Sommer 1915 auf 85,000 gesunken war. Sie fürchteten, dass die Aufnahme von Flüchtlingen ihre Neutralität gefährde. Das erste Internierungslager für belgische Flüchtlinge in den Niederlanden wurde im November 1914 gegründet, wo diese unter unzureichender Beheizung und medizinischer Versorgung in gefängnisähnlichen Zuständen leben mussten. Vgl. Daniel, Ute: Frauen. In: Enzyklopädie Erster Weltkrieg. Hrsg. v. Gerhard Hirschfeld [u.a.]. Paderborn [u.a.] 2004, S. 116–134, hier S. 117 u. S. 126; Blom, J.C.H.: Niederlande. In: Enzyklopädie Erster Weltkrieg. Hrsg. v. Gerhard Hirschfeld [u.a.]. Paderborn [u.a.] 2004, S. 738–741, hier S. 740; Amara, Michaël: Refugees (Belgium). In: 1914–1918-online. International Encyclopedia of the First World War. Hrsg. v. Ute Daniel [u.a.]. Berlin 2014; Gartell, Peter; Nivet, Philippe: Refugees and Exiles. In: The Cambridge History of the First World War. Bd. 3, Civil Society. Hrsg. v. Jay Winter. Cambridge 2014, S.186–251, hier S. 189f. u. 194f. »

Zitierhinweis:
Trautmann, Marjam: „Jacoba van Heemskerck an Herwarth Walden, 8. September 1914“, in: DER STURM. Digitale Quellenedition zur Geschichte der internationalen Avantgarde, erarbeitet und herausgegeben von Marjam Trautmann und Torsten Schrade. Mainz, Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Version 2 vom 25. Jul. 2019.

URI:
https://sturm-edition.de/id/Q.01.19140908.JVH.01

Versionen:
https://sturm-edition.de/id/Q.01.19140908.JVH.01/2 (25. Jul. 2019)
https://sturm-edition.de/id/Q.01.19140908.JVH.01/1 (16. Jul. 2018)

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